Nachgefragt

Eine lose Reihe von Interviews mit Autorinnen und Autoren aus dem KaMeRu Verlag.

03/2024: Peter Biro
11/2023: Heidi Tschachtli
07/2021: Monica Heinz
12/2020: Ulrich Land
12/2018: Sigi Gall
07/2018: Lothar Olivet
06/2018: Marc P. Sahli
05/2017: Marcel Kuoni
03/2016: Cornelia Kempf
06/2015: Fabian Schaefer
06/2015: Sabine Meisel
11/2014: Tanja Kristina Sonder
10/2014: Stephanie Aeby
09/2014: Edith Truninger
06/2012: Achim Albrecht
05/2012: Bianca Wortmann
04/2012: Pascal Ruf
03/2012: Adrian Zschokke
02/2012: Maaike Kellenberger
01/2012: Christina Casanova


Nachgefragt bei Peter Biro

Sie schreiben überwiegend humoristische Kurzgeschichten und Satiren. Betrachten Sie sich selbst als Humoristen?

Wenn Sie mich so fragen … na ja, sagen wir mal so: wenn damit gemeint ist, dass ich alles von der lustigen Seite sehe, dann eher nicht. Zum Beispiel kann ich dem letztjährigen Steuerbescheid absolut nichts Lustiges abgewinnen. Ich kann aber in bestimmten Situationen erheiternde Aspekte unseres Daseins als zeitweilige Badegäste auf Erden durchaus erkennen und darüber etwas Satirisches verfassen. Auf jeden Fall liebe ich schwarzen und skurrilen Humor, und scheue mich auch nicht bis an den Rand des guten Geschmacks vorzudringen. Aber ich mache mich nicht über andere Personen lustig, nur über bestimmte Menschentypen – und über mich selbst.

Sie sind inzwischen pensioniert und haben erst spät mit dem Schreiben angefangen. Wie kamen Sie überhaupt dazu?

Als Anästhesist musste ich viel Zeit mit bewusstlosen Menschen verbringen, die in tiefster Narkose nicht sehr mitteilsam waren. Vielleicht entsprang diesem Umstand das Bedürfnis, sich irgendwie mitzuteilen. Abgesehen davon habe ich über die Jahrzehnte meines Berufslebens viele fachlich-wissenschaftliche Publikationen erstellt, sodass ich eine gewisse Routine mit der sinnhaften Aneinanderreihung von Buchstaben und Wörtern habe. Dese Erfahrung erleichterte den Übergang vom Schreiben seriöser Fachbeiträge zu hochgradig unseriösen Phantasmagorien.

Wann ist dieser Wechsel erfolgt?

Wenn ich mich recht entsinne, war das an einem Dienstagnachmittag im November 2017. Da kam mir die Inspiration, dass ich ab dann unbedingt Belletristik schreiben sollte. Daraufhin öffnete ich im Computer eine Worddatei, dachte mir einen griffigen Titel für einen Krimi aus und schrieb »Stilvolles Morden mit Fisch«. Das schien mir brillant, ein interessanter Ansatz, der von Anfang an andeutete, in welche Richtung meine weitere schriftstellerische Karriere gehen sollte.

… und dann?

Dann nichts weiter. Es blieb beim Titel. Nach längerem Herumprobieren erkannte ich, dass ich weder das Zeugs noch die Geduld hatte, um einen Roman zu schreiben. Ich kam nie über die erste halbe Seite hinaus. Auch fand ich keinen Fisch, welches als Mordinstrument geeignet gewesen wäre, und somit blieb das designierte Mordopfer weiterhin am Leben. Nach diesem Fiasco entschied ich mich, es mit Kurzgeschichten zu versuchen. Ohne Mord und ohne Angelausrüstung.

Was war oder ist immer noch die wichtigste Motivation zum belletristischen Schreiben?

Ursprünglich wollte ich damit reich und berühmt werden. Als dann absehbar wurde, dass weder das eine noch das andere eintreten würde, wollte ich nur noch Eindruck bei Frauen schinden. Aber auch dort stehen noch substanzielle Ergebnisse aus. Außerdem hält meine Frau nichts von solchen Ansinnen.

Leiden Sie an Schreibblockaden und wenn ja, wie gehen Sie damit um?

Meist geht es ganz flott voran, vor allem wenn ich in einen sogenannten »flow« Geisteszustand gerate. Aber ich gebe zu, manchmal stockt der Textfluss, und dann muss ich mich etwas sammeln und nach einer guten Motivation für den Augenblick suchen. Dann stelle ich mir zum Beispiel die Visage des Sachbearbeiters vom Steueramt vor, der behauptet hat, dass ich die Schriftstellerei nur vortäusche, um die Kosten für Druckerpapier und Toner von der Steuer absetzen zu können. Dann springt die Schreibwut wieder an.

Sie haben inzwischen eine heitere Autobiographie und eine Sammlung skurriler Satiren und Humoresken publiziert. Wie würden Sie am ehesten das Genre, den Stil beschreiben, in dem Sie zurzeit schreiben?

Es hat in der Tat eine Weile gedauert, bis sich der Ductus meiner schriftstellerischen Erzeugnisse verfestigt hat. Anfangs schwankte ich noch zwischen realitätsnahen Schilderungen einerseits und hanebüchenen Absurditäten andererseits. Inzwischen meine ich, dasjenige Genre gefunden zu haben, in dem ich mich am sichersten fühle. Das sind amüsant angelegte hyperrealistische Situationsbeschreibungen und Begebenheiten, die zwar ziemlich skurril und abgehoben daherkommen, aber in sich absolut logisch und bildlich vorstellbar sind.

Kann man demzufolge Ihre Geschichten als »Phantastik« bezeichnen?

Das kann man, wenn man unbedingt möchte. Aber ich würde eher sagen, dass es eher Figuren aus einem Paralleluniversum sind, in dem alles so zugeht wie hier und jetzt, nur dass selbst dingliche oder tierische Protagonisten sich ganz locker unterhalten können.

Wie zum Beispiel…?

Um ein besonders typisches und gleichzeitig abwegig absurdes Beispiel zu bringen, da ist der Monolog einer Frikadelle, die sich für die Raumfahrt begeistert und sich auf den Start zur Erkundung des Solarplexus vorbereitet. Damit wird sie zu einem (G)astronauten, denn sie fliegt nicht in den Kosmos, sondern in den Magen-Darm-Trakt eines Restaurantbesuchers.

Ich sehe, sie spielen gerne mit Wörtern. Ist das ein kennzeichnendes Merkmal Ihrer Arbeit?

Ja, unbedingt. Ich liebe jede Art von Wortverdrehungen, Ersetzungen und Anspielungen, insbesondere wenn sie auch noch thematisch passen. Feinsinnige Wortakrobatik ist ein fester Bestandteil meines Schreibstils, welchen ich bewusst einsetze. Allerdings muss ich dabei gut aufpassen, es nicht zu übertreiben – denn manchmal drohen diese Stilmittel mit mir durchzugehen. Also muss ich manchmal meinen Enthusiasmus für die Plastizität der Sprache etwas bremsen. Sowas ist wie das Salz im Kartoffelauflauf, es kommt auf die richtige Dosierung an.


Nachgefragt bei Heidi Tschachtli

Wann ist ein Buch ein gutes Buch?
Wenn ein Buch es schafft, mich während dem Lesen gänzlich aus Zeit und Raum herauszuholen und mich erst nach dem Schlusspunkt wieder in meine Realität entlässt.

Kommt das oft vor?
Leider nicht.

Wie viele Seiten darf ein Buch haben?
Wer mehr als 200 Seiten braucht, ist nicht in der Lage, etwas auf den Punkt zu bringen. Punkt.

Was ist Mut?
Eine Geschichte auf weniger als 200 Seiten zu verfassen. Und große Berge zu besteigen. Dabei meine ich nicht den Weg zum Gipfel und zurück. Reinhold Messner fand die richtigen Worte: »Manchmal muss man hoch hinaus, um tief in sich hineinzuschauen.« Das braucht Mut.

Macht die Zukunft Angst?
Mir nicht.

Was ist die viel beschriebene und nicht genau definierte Nachhaltigkeit?
Provokativ und hart ausgedrückt ist nachhaltig nur, wer sich selbst abschafft. Wer konsumiert, kann nicht nachhaltig sein.

Sind Sie der Umwelt gegenüber ignorant?
Ich bin eine Dreckschleuder. Als Bergsteigerin toure ich um die ganze Welt. Bei meinen Trekkings achte ich jedoch darauf, lokale Anbieter zu berücksichtigen, die mit der Natur achtsam umgehen.

Das tönt etwas abgehoben …
Tatsächlich war ich schon einige Male über 5000 müM. Das macht etwas mit Geist und Körper.

Haben Sie Humor?
Ich zähle mich selbst zu den humorvollen Menschen. Als absolute Minderheit gehören wir auf die Regenbogenfahne. Meine Art von Witz ist aber nicht jedem Menschen zugänglich.

Als welches Tier würden Sie sich beschreiben?
Da weiß ich gleich mehrere: Gletscherhuhn und Bergziege. Manchmal bin ich aber auch einfach nur eine Zicke.

November 2023


Nachgefragt bei Christina Casanova

Ihr dritter Roman „Die Entscheidung“ beginnt mit der Frage: „Was treibt ihn um?“. Was treibt Christina Casanova als Autorin und als Menschen um?
Gemeinheiten treiben mich um. Dinge, die politisch inkorrekt laufen. Abgesehen davon, treibe ich mich selbst immer wieder um. Zum Beispiel, wenn ich bis spät in die Morgenstunden am Notebook sitze und meine Gedanken in die Tasten haue, die Zeit vergesse und dann am nächsten Morgen verschlafe. Solche Tage treiben mich um, dann stehe ich „neben den Schuhen“.

Eine Frage, die sich sehr wahrscheinlich jede Autorin und jeder Autor gefallen lassen muss: Wie viel von Ihnen steckt in Ihren literarischen Figuren?
Ja, das ist in der Tat eine Standartfrage! Nirgendwo anders wage ich meine unterschiedlichen Persönlichkeitsanteile so explizit hochzuschrauben oder niederzuschlagen, als in meinen geschriebenen Seiten.

Über welches Thema würden Sie nie schreiben?
Sag niemals nie – das sagte schon 007.

Ihr Lieblingsphilosoph und warum?
Ich liebe Nietzsche, das hat natürlich auch mit Sils Maria und dem Seelein dort oben zu tun und damit, dass ich mit dem Werk Zarathustra bis heute beim Rezensieren von Textpassagen ein Unikum für mich geschaffen habe.

Wie wird man ein guter Mensch?
Durch die Geburt – was immer das heissen mag. Manche gebären sich einmal, andere mehrmals. Natürlich hat dieser Prozess mit Selbstpflege und -hege zu tun.

Risiko oder Sicherheit – was entspricht Ihnen mehr?
Ich sage natürlich gerne, dass ich das Risiko liebe. Müsste ich aber zu den Inuits pilgern, wäre mir das Risiko zu hoch und ich hätte Bedenken, auf dieser Expedition stecken zu bleiben und zu erfrieren.

Schenken Sie Männern Parfüm?
Nein, das mache ich nicht. Vielleicht bin ich da zu klassisch; mein Mann soll mir das Parfum schenken.

Die Eigenschaft, auf die Sie am besten bei sich verzichten könnten?
Das Talent zur Lüge sitzt dem Menschen seit Urzeiten in den Genen. Die Sprache hat geholfen, es zu perfektionieren. Zwar gibt der Mensch zumindest vor, die Wahrheit zu lieben, aber er mag sich nicht immer daran halten. Diese Neigung wohnt auch in mir inne und ich versuche, mich nicht täglich zu belügen.

Zu Beginn des neuen Jahres zieht man gerne Bilanz über das vergangene Jahr. War 2011 für Sie ein „Annus mirabilis“ oder eher ein „Annus horribilis“?
Das Jahr 2011 bleibt mir in guter Erinnerung, sogar in sehr guter: Ich habe meinen ärgsten Feind nicht um die Ecke gebracht, habe nicht an der Börse verloren, habe kein Gramm zugenommen und habe mir bisweilen des Abends gerne ein Glas Rotwein gegönnt.

Wer oder was wird für Sie 2012 besonders wichtig werden?
Ich wage es, als dreiundfünfzigjährige Blondine am New Yorker Marathon im November 2012 teilzunehmen.

Januar 2012


Nachgefragt bei Maaike Kellenberger

Sind Sie manchmal voller Zorn und falls ja, was machen Sie dagegen?
Manchmal? … Ich rede. Mit mir selbst. Führe zynische Monologe oder – wenn sich jemand findet – belaste diesen mit den Gründen meines Zorns (diese Varianten schliessen sich keineswegs aus). Oft tut das schon sehr gut. Dann gibt’s eine wunderbare weitere Möglichkeit: Schreiben. Leiden lassen.

„Rache ist die Speise, die man kalt am besten geniesst“ – stimmt es?
Wenn mich eine meiner Figuren fragen würde, wie es sich am besten rächt, würde ich wohl antworten: „Kalt!“ Die Planung der Rache beinhaltet auch weniger Fehler, wenn nicht „heiss zubereitet“. Grundsätzlich wär mein Tipp aber, es gar nicht erst soweit kommen zu lassen, dass man sich im Nachhinein rächen muss. Verschwendete Energie.

Was wollen Sie noch erreichen?
Ich möchte in meiner eigenen Welt des Schreibens Fuss fassen.

Zahlt es sich aus, gut zu sein?
Woher soll ich das wissen?

Wie verkraften Sie Kritik?
Nicht besonders gut. Gerade nicht, wenn sie nicht konstruktiv ist. Ich versuche Kritik zu verkraften, indem ich zuerst (für mich, versteht sich) erkläre, warum sie unangebracht ist; nur um später zu erkennen, dass der oder die Kritisierende wohl nicht ganz unrecht hatte. (Am Prozess arbeite ich noch.) Auch lerne ich immer besser, so zu tun, als verkraftete ich sie.

Haben Sie Verständnis für Neider?
Der Mensch hat die unglaubliche Fähigkeit, auf alles Mögliche neidisch und damit stets sehr unzufrieden zu sein. Also ja, ich habe Verständnis für Neider. Ich selbst beneide manchmal auch einfach drauf los, ohne grossartig darüber nachzudenken.

Fehlen Ihnen auch manchmal Worte?
Nur, wenn ich schreiben sollte. Sonst eigentlich sehr selten. Die Frage nach der Qualität der Worte bleibt hierbei offen…

„Quid est veritas?“ – „Was ist die Wahrheit?“, fragte schon Pilatus.
Ein Problem der Definition.

Welche Vorschriften sind Ihnen privat zuwider?
Das ist sehr situationsabhängig. Das Rauchverbot ist mir in diversen Bars, so liesse es sich bezeichnen, „zuwider“. Warte noch auf das Mehlverbot für Bäckereien.

Woran glauben Sie?
An Wissen. Und daran, dass wenn es Götter gibt, dies für uns nicht gerade das Glück bedeutet. Sie scheinen grosse Freunde der Ironie zu sein.

Februar 2012


Nachgefragt bei Adrian Zschokke

Sie sind Krimiautor und Filmemacher, der oft mit den Grenzen des Menschlichen konfrontiert wird. Glauben Sie, dass es das Böse gibt?
Ich bin überzeugt, dass es das Böse gibt. Es ist ein Thema, das mich schon lange beschäftigt, worüber ich einen Dokumentarfilm machen will. Es steckt in jedem von uns und ist auf eine mir unverständliche Weise mit dem Guten verbunden. Es genügt, sonst liebenswerte Kinder zu beobachten, die Insekten die Beine ausreissen. Die Verkündigung der „frohen Botschaft“ bei den Ureinwohnern Südamerikas über die liebevoll gepflegten Schrebergärten der Familienväter und Nazischergen bis zu der Foltergedenkstätte der Roten Khmer in Kambodscha zeigt, wie janusköpfig das Böse ist. Für mich, einen „Linken und Netten“, ist die zynische Diktatur des ehemaligen Befreiers Mugabe ein Mahnmal – und Mandela, der in seiner Autobiographie erzählt, welch ein übler Schläger er in seiner Jugend war, ein Held per se. Die „starke Hand“ des Vaters mit strikter Moral kann – ähnlich wie eine antiautoritäre Erziehung – Kinder zu Monstern machen. Und genau dies ist wohl die spannendste Herausforderung für einen (Krimi)Autor, wenn es um das Böse geht – diese Diskrepanz fruchtbar zu nutzen.

Wo treffen sich die Literatur und der Film?
Ich erlebte es ein, zwei Mal, dass ich einen Film sah und glaubte, den schon zu kennen, bis mir bewusst wurde, dass ich das Buch gelesen hatte, das als Vorlage für den Film diente – so beispielsweise bei „Blade Runner“, das auf einer Kurzgeschichte von Dick fusst basiert, die ich mal gelesen hatte und die einen ganz andern Titel trägt. Offenbar traf ich hier auf Bilder, die meinem „inneren“ Kino nahe kamen. Häufiger noch passiert es, dass ich mit jemandem über einen Film spreche, bis mein Gegenüber mich darauf hinweist, dass wir uns eigentlich über ein Buch unterhalten, das noch gar nicht verfilmt wurde. Gute Literatur und gute Filme evozieren präzise Stimmungen. An diesem Punkt treffen sich die beiden künstlerischen Formen.

Der berühmte Filmkomponist Williams stellte die folgende philosophische Frage: „Was hören wir, wenn wir sehen und was sehen wir, wenn wir hören?“ Wie sehen Sie das?
Ich las in einem Roman eine Szene, in welcher sich zwei Verliebte über „Prélude à l’après midi d’un faune“ unterhielten. Als ich später im Radio das Stück hörte, wusste ich sofort – ohne dass der Name des Musikstücks genannt wurde –, dass es sich um diese Prélude handelt. Dank einer Szene, von der ich nicht einmal mehr weiss, aus welchem Roman sie stammt, gehört diese Musik bis heute zu meinen Lieblingsstücken.

Was ist das höchste Gut im menschlichen Leben?
Die Liebe.

Einstein sagte: „Der Mensch hat ein Bedürfnis nach Hassen und Zerstören.“ Können Sie dem als Krimiautor zustimmen?
Die Lust an Zerstörung… Das knüpft vielleicht an die erste Frage an. Mir scheint jedenfalls, dass die Zerstörung der Werte unserer Eltern eine der wichtigsten gesellschaftlichen Triebkräfte ist. Und der Hass auf Menschen, die meine Projekte ablehnen, ist zwar vorhanden, verfliegt zum Glück rasch… Ein Bedürfnis allerdings scheint er mir nicht zu sein.

Was ist das Geheimnis erfolgreicher Menschen?
Die alten Griechen sagten: „Erkenne dich selbst.“ Wer das kann, ruht in sich und ist, – meiner Meinung nach – reich. Ob er auch erfolgreich ist, ist zweitrangig.

Wann ist es Ihnen langweilig?
Häufig an Pressekonferenzen von Grosskonzernen.

Was schätzen Sie an unserer Zeit?
Das Internet.

Mit wem würden Sie gern einen Tag/eine Nacht verbringen?
Mit Elmore Leonard den Tag, die Nacht… darüber schweigt des Sängers Höflichkeit.

Was ist Glück?
Im Bett einen guten Krimi zu lesen.

März 2012


Nachgefragt bei Pascal Ruf

Die Frage aller Fragen: „Wann ist ein Mann ein Mann?“
Die Frage aller Fragen auf die ich keine Antwort habe. Die Lösung liegt meiner Meinung nach heutzutage wohl eher im simplen Mann-Sein und nicht im Nacheifern eines Rollenbildes.

Und wann ist ein Mann ein Autor?
Jeder Mensch ist ein Künstler, ein Autor jedoch wohl erst wenn sein Werk veröffentlich wurde.

Der amerikanische Psychotherapeut Erving Polster meinte: „Jedes Menschen Leben ist einen Roman wert“ – glauben Sie es auch?
Ich denke das Leben ist als Ansammlung von Emotionen, Tätigkeiten und Ereignissen zu vielfältig, als dass man auch nur eines davon als nicht erwähnenswert einstufen könnte.

Was spielt in Ihrem „Lebensroman“ eine besondere Rolle?
Neben den Menschen um mich herum wohl die Möglichkeit, neugierig zu sein und alles hinterfragen zu können, was mich umtreibt.

Sie studieren Rechtswissenschaft. Wird es vielleicht irgendwann mal einen typischen „Gerichtsthriller“ von Ihnen geben?
Jeder Autor wird von seinem Umfeld beeinflusst, somit ist es durchaus möglich. Um jedoch John Grisham nahe kommen zu können, werde ich wohl noch viele Gerichtssäle von innen sehen müssen.

Wie wichtig ist Ihnen die Möglichkeit, einmal allein zu sein, sich zurückzuziehen?
Sehr wichtig, ohne mich vom Lärm der Welt ausklinken zu können, könnte ich meine Gedanken nie ordnen und hätte wohl auch mein erstes Werk nie vollendet.

Wem würden Sie gerne ganz unverblümt die Meinung sagen?
Dem Papst.

Was möchten Sie auf keinen Fall im Leben missen?
Meine Familie und Freunde.

Glauben Sie, dass man im Leben schliesslich das bekommt, was man verdient?
Ich denke keine Aktion bleibt ohne Reaktion, so klein sie auch sein mag. Ob man diese Reaktion verdient hat oder nicht, liegt im Auge des Betrachters.

Wie möchten Sie im Alter leben?
Als glücklicher Mann, der ohne Reue an die Vergangenheit denken kann.

April 2012


Nachgefragt bei Bianca Wortmann

Was ist das Spannendste am Schreiben?
Eindeutig die Dynamik, wenn aus einer groben Idee allmählich eine Geschichte wird, die zu leben anfängt und mich als Autorin nicht mehr los lässt. Es ist auch immer ganz spannend zu beobachten, wie sich die Charaktere entwickeln (die manchmal durchaus ein Eigenleben besitzen) und neue Charaktere, die man noch gar nicht auf dem Bildschirm hatte, kennenzulernen.

Wo finden Sie Ihre Inspiration?
Eigentlich überall, daher habe ich immer einen Block und einen Bleistift dabei. Hauptsächlich hilft mir aber die Musik – von Klassik bis Heavy Metal – ist alles dabei. Davon lasse ich mich inspirieren.

Wer ist Ihr persönlicher Held?
Na ja … wenn ich ehrlich bin hat sich da in den letzten zwanzig Jahren nicht viel getan. Nach wie vor: Old Shatterhand.

Ihr Lieblingsbuch?
Da gibt es eigentlich eine ganze Reihe Bücher, die ich als „Lieblingsbuch“ einstufen würde. Aber wenn ich eines herauspicken muss, dann ganz eindeutig „Der Herr der Ringe“ von J.R.R. Tolkien.

Verspüren Sie Erfolgsdruck und wie gehen Sie damit um?
Nein, Erfolgsdruck spüre ich (noch) nicht.

Sind Sie ein ungeduldiger Mensch?
Oh ja! Aber ich bessere mich langsam. Zu langsam.

Was ist Schönheit?
Ein rein subjektives Empfinden. Ich halte es da mit Epicharm: „Für den Esel ist die Eselin das Schönste.“

Woran sind Sie besonders stolz?
Im Moment definitiv auf mein Zeitmanagement! Vollzeitjob, Diplomarbeit und Schreiben unter einen Hut zu bekommen ist nicht immer leicht.

Welche Kunst schmückt Ihr Zuhause?
Wundervolle Fotografien, die eine Freundin gemacht hat. Und ein Magritte, leider kein Echter.

Ein absolutes No-go?
Ein Morgen ohne mindestens zwei Tassen Kaffee. So kann der Tag nicht gut werden.

Mai 2012


Nachgefragt bei Achim Albrecht

Wann haben Sie Ihren Namen erstmals gedruckt gesehen?
Als ich mit Ende zwanzig meinen ersten wissenschaftlichen Aufsatz veröffentlichte.

Hätten Sie lieber früher gelebt?
Im Zeitalter der Aufklärung, als die Welt und was sie antreibt eine andere Deutung erfuhr.

Wer ist Ihr immerwährender Held?
Der Held meine Jugendjahre Kara Ben Nemsi Effendi, der mich neugierig auf die Welt machte.

Erzählen Sie etwas über Ihr Schreiben.
Schreiben ist für mich Flucht, Zuflucht, Handwerk und Ventil für Kreativität. Unverzichtbar.

Was ist am längsten in Ihrem Besitz?
Eine kleine goldene Christophorus Medaille, die mir meine sehr gläubige Grossmutter gab.

Womit verplempern Sie gerne die Zeit?
Mit lesen, reflektieren, recherchieren oder mit Sport und einem gelegentlichen Konzertbesuch.

Wie definieren Sie als Jurist die Wahrheit?
Als Jurist weiss ich, dass viele subjektive Wahrheiten existieren und sich daher „Wahrheit“ einem Absolutheitsanspruch entzieht.

Welche exzentrische Marotte wollen Sie im Alter kultivieren?
Weiterhin in Turnschuhen, Jeans und Kapuzenpulli zu offiziellen Anlässen erscheinen.

Was fällt Ihnen zu „to be or not to be“ ein?
Gelebte Toleranz und Flexibilität im Alltag stellen selten vor die Alternative „to be or not to be“.

Woran arbeiten Sie gegenwärtig?
An mehreren wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Kurzgeschichten zum ewigen Thema „Liebe“.

Juni 2012


Nachgefragt bei Edith Truninger

Was verstehen Sie unter dem wahren Leben?
Eine Aufgabe haben oder etwas zu seiner Aufgabe machen, viel gute Arbeit, Kreativität und Austausch. Humor.

Was bedeutet das Schreiben für Sie?
Das wahre Leben.

Sind Sie abergläubisch?
Nein. Aber ich glaube an Verhaltensmuster, die sich in einer Familie von Generation zu Generation übertragen können.

Pflegen Sie irgendwelche Rituale?
Ich schreibe meistens am Nachmittag, dazu trinke ich Tee. Wenn ich Kaffeebohnen nachfülle, muss ich immer an der leeren Verpackung riechen.

Sind Sie nett zu sich selbst?
Im Nettsein habe ich viel Erfahrung. Immer öfter bin ich vor allem nett zu mir selbst und weniger zu den anderen. Und es gefällt mir!

Welches Land möchten Sie unbedingt bereisen?
Jordanien.

Wovor haben Sie Angst?
Vor Einsamkeit und Tod.

Welche ist Ihre Lieblingsjahreszeit?
Wenn ich vergesse, wie es ist, Socken zu tragen oder wie sich Regen anfühlt. Wenn ich nie frieren muss und jeden Tag ein Kleid tragen kann.

Wann haben Sie das letzte Mal geweint?
Als ich meine 90-jährige Grossmutter besucht habe. Nichts rührt mich mehr als ihr Dasein.

Worüber möchten Sie noch unbedingt schreiben?
Über (Selbst-)Ausbeutung.

September 2014


Nachgefragt bei Stephanie Aeby

Wie buchstabieren Sie Glück?
Gelassenheit, Liebe, Überschwang, Cash :-), Klarheit

Wie nutzen Sie einen freien Tag mit Regen vor dem Fenster?
Ich mache mit meinem Mann einen Regenspaziergang, lese ein Buch, tanze (allein) im Wohnzimmer und koche ein mediterranes Menu.

Wie definieren Sie den Alltag?
Seit meiner Auszeit als „Alles, was der Tag bringt“.

Was würden Sie in einem Liebesbrief an sich selbst schreiben?
„Ich möchte gerne mit Dir alt werden.“

Hatten Sie je Angst, etwas zu verpassen?
Ja. Das Leben.

Alter, kein Grund zur Panik?
Nein. Der Mensch ist unglaublich anpassungsfähig, was von der jüngeren Generation oft unterschätzt wird.

Die dämlichste aller Fragen: Was würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen?
…Und die dämlichste aller Antworten: Ein Paddelboot.

Ist Rache wirklich süss?
Vielleicht in den ersten drei Minuten. Danach wird sie schal und schliesslich bleibt nur ein bitterer Nachgeschmack…

Woran denken Sie, wenn Sie »Goethe« hören?
Dass ich mich seit meiner Schulzeit mit den Klassikern leider nicht mehr ernsthaft befasst habe.

Sollte unsere Welt weiblicher werden?
Wenn „weiblich“ gleichgesetzt wird mit „sozial, zuversichtlich, anpackend, mitfühlend, weitsichtig und humorvoll“, dann ja.

Und eine Zusatzfrage von dem Verlagskater Jethro: Haben Sie den Kater Arnie in Ihrem Roman „Bevor es Abend wird“ nach dem Vorbild von Ihrem Kater Gari gestaltet?
Aber ja! Mit „Arnie“ habe ich unserem betagten Kater ein würdiges Denkmal gesetzt. Wenn Gari lesen könnte, wäre er bestimmt stolz auf sein Alter Ego im Roman.

Oktober 2014


Nachgefragt bei Tanja Kristina Sonder

Blicken Sie gerne zurück?
Das hängt ganz davon ab, wer oder was hinter mir steht.

Was beruhigt Sie?
Mein Pferd, die Natur, isländische und keltische Musik – und das Schreiben.

Und was beunruhigt Sie?
Einen Satz im Kopf zu haben, aber keine Gelegenheit, ihn aufzuschreiben. Und leere Züge zur Hauptverkehrszeit.

Wann schweben Sie auf Wolke Sieben?
Im Moment? Wenn eine Arbeit endlich fertig ist und die Prüfungen noch in weiter Ferne liegen. Nicht sehr romantisch, der Unialltag.

Was fällt Ihnen zum Thema „Macho“ ein?
Wenn man das „o“ streicht, entsteht ein Imperativ, der wunderbar zur nächsten Frage überleitet.

Kann man diese Welt verbessern und wie?
Ich hoffe es, und bisher habe ich den Glauben daran noch nicht verloren. Wie das geht? Wahrscheinlich, indem jeder bei sich anfängt. Habe ich heute jemanden angelächelt oder grimmig auf meine Füsse gestarrt? War mein Frühstücksei aus Freilandhaltung? War ich freundlich zu meinen Mitmenschen oder gehässig, obwohl niemand etwas für meine Kopfschmerzen kann? Habe ich den Wasserhahn während dem Zähneputzen abgedreht? Konnte ich mich mit jemandem freuen oder missgönnte ich ihr/ihm den Erfolg? Habe ich mir heute etwas Gutes getan? Ich denke, es sind die kleinen Fragen, um die wir uns kümmern sollten, bevor wir uns zusammentun und vielleicht Grosses bewirken können. Da fällt mir ein Zitat aus Lord of the Rings ein: „Let us together rebuild this world that we may share in the days of peace“.

Aristoteles oder Nietzsche?
Keine leichte Entscheidung. Aber eine leichte Tendenz zu Nietzsche kann ich nicht leugnen; seine Sprache liest sich einfach schöner.

Shakespeare oder Ibsen?
Ibsen zur Zeit. Nicht nur, aber auch aufgrund des Skandinavistikstudiums.

Wie sieht es aus, wenn Sie wütend sind?
Schwer zu sagen – ich schaue dann jeweils nicht in den Spiegel.

Wann dürfen wir uns auf Ihr nächstes Buch freuen?
Freuen dürfen Sie sich schon jetzt – wie lange es dauert, bis aus dem ‚darauf‘ ein ‚darüber‘ wird, ist eine andere Frage.

November 2014


Nachgefragt bei Sabine Meisel

Beschreiben Sie sich in drei kurzen Sätzen.
Ich bin eine Erzählerin, spüre Stimmungen. Intensiv und intensiv empfindend. Kämpferin, wenn mir etwas wirklich wichtig ist.

Was lieben Sie, was hassen Sie?
Ich hasse Schubladendenken, Kleinkariertheit, Gewalt und rohe Zwiebeln. Ich liebe Freiheit, Lebensgeschichten, Schauspielen und Gummibärchen.

Warum schreiben Sie?
Weil ich nicht anders kann, die Geschichten müssen aus dem Kopf spazieren.

Neben Ihrem eigenen Buch, das 2016 erscheint, und neben den Anthologien, bei denen Sie mitgewirkt haben: Ihr heissester Buchtipp für die Sommermonate?
Edith Truningers Novelle „Hibiskus Corner“. Für Reisende und Fantasiereisende, sinnlich – philosophisch. Eben habe ich Judith Hermanns „Aller Liebe Anfang“ gelesen. „Sonnenlicht fängt sich in den Speichen, wird davongeschleudert“– diese Bewegung des Lichts, den Satz liebe ich.

„Bücher sprechen ungelesen“ sagte Karl Wolfskehl. Was sagen Sie dazu?
Das wäre genial, wenn der Inhalt vom Buch direkt in meinen Kopf gelangen könnte, einfach mit einem Blick. Wolfskehls Liebe zum Buch kann ich nachempfinden. Es wäre interessant, was er jetzt zu den Hörbüchern und E-Books sagen würde, vielleicht schreibe ich mal ein fiktives Interview mit ihm, reizt mich diese Aufgabe…

Wann haben Sie angefangen zu schreiben?
Mit sechs hackten zwei Finger auf der Reiseschreibmaschine meines Vaters herum, um mir meine schrecklichen Erlebnisse in der Hals-Nasen-Ohren-Klinik runterzuschreiben. Als die „älteste“ Patientin im Zimmer (5 Jahre alt!) kam ich als letztes Kind an die Reihe, der Operateur empfing mich mit blutbespritztem Kittel, klemmte mich einem wildfremden Mann auf den Schoss (damals war ich noch schüchtern). Ausserdem hielt die Äthernarkose nicht bis zum Schluss, ich spürte noch das letzte schreckliche Zerren und blickte in eine Schale mit blutigen Klöpsen, meinen Mandeln. Ich heulte stundenlang, erbrach Blut, meine Eltern durften nicht zu mir kommen und ich hörte nur „ich solle mich nicht so anstellen, alle wären lieb, nur ich nicht.“ Leider ist der Text verloren gegangen, und „lieb“ bin ich seitdem erst recht nicht.

Was haben Ihre Texte, was andere nicht haben?
Ich habe Mut, wie eine „Bachforelle überspringe ich Schwierigkeiten“ (versuche es) – so hat eine Bekannte meine Texte beschrieben und ich hoffe, es stimmt.

Wie sieht Ihr Schreiballtag aus?
Am liebsten schreibe ich im Bett, ich stolpere um 6 Uhr in die Küche, mache mir den einzigen Kaffee des Tages und meinen Früchteporridge, lese Zeitung, schreibe mich mit der Morgenseite warm. Danach geht’s richtig los, unterstützt von einem Pott Grüntee. Das Bett ist der Ort, wo ich am liebsten lese. Dort bin ich am wenigsten abgelenkt (morgens zumindest). Ab Mittag gehöre ich der Welt…

Was fällt Ihnen bei dem Ausdruck „morgen“ ein?
Dazu sage ich: Lieber jetzt! Das ist unsere Hauptvorstellung, nicht die Probe …

Wer oder was ist für Sie wirklich wichtig?
Freundschaft, Neugier auf Begegnung. Menschen und ihre Entwicklungen. Die Liebe als Krönung.

Juni 2015


Nachgefragt bei Fabian Schaefer

Was verstehen Sie unter einer Heldentat?
Im Strom der zwangsläufigen, mitreissenden, wie unbeeinflussbar wirkenden Entwicklung der Masse mit Ideen und Taten, die zueinanderpassen, durch eigenen Einsatz DOCH Dinge bewirken, die dem Denken, Sein und Fühlen der Menschen und all dem, was uns umgibt, helfen. So weit heraus Zeichen setzen, andere mitbewegen, hin zu einer in der Richtung geschärften und vorangehenden Welt zwischen Natur und Mensch, Atmen und Spiel, Jetzt und Zukunft.

Welchen Tag möchten Sie noch einmal erleben?
Alle Tage machen mich zu demjenigen, der ich bin. Die traurigsten, zuerst. Die schönen, danach. Den Unterschied spüren. Vielleicht darf man aber auch neue Wege in den Entscheidungen noch einmal ausprobieren? Das wäre spannend: jeden Tag neu zu verändern.

Was fällt Ihnen zu Shakespeare ein?
– Basis, Fundament, Leitstern; bildgewaltiger Stürmer und leiser Poet
– Bei all den Königen geht es nicht um den König, sondern um uns, mit allem Gegensätzlichen von uns: aufopferungsvoll liebend / eifersüchtig; ehrenvoll / machtgierig mordend; ausgelassen, magisch verwandelt / vor der Hinrichtung oder sterbend im Schwert
– Geschichten aufbauen und erzählen können, alles zu verwickeln, sich dabei aber nicht „französisch“ allzu sehr im Schema zu bewegen, den Personen mit Worten ein Scheinwerferlicht zu bauen, auch Abwesendes im Bericht lebhaft erzählen, um den Fortgang zu beschleunigen
– Zeitlos wie Glas, frisch, und daher ohne ehrwürdige Scheu zu lesen (d.h. mit Spass zu entdecken); warum nicht ein Einstieg z.B. mit Filmen: „The Tempest“ von D. Jarman oder „Macbeth“ von R. Polanski
– Elisabeth I, the Virgin Queen restoring Britannia
– Ich habe die Sonette immer noch nicht gelesen.

Wie würde Ihre Biographie heissen?
Heute erst sehe ich sie überhaupt verschwommen als solche, zumindest habe ich mich entwickelt, jedes war zumindest ja ein Stoss für das Nächste… Haben die Tatsachen meiner Jahre irgendeinen Sinn, ein Zusammenhang? Ich schwanke noch. Es ist vielleicht etwas gar anmassend. Alles sind Bruchstücke, alles ist offen. Ein Titel? Vielleicht nur neutral „Auch unterwegs“? Oder von der Sehnsucht jedes Menschen sprechend? Ich hoffe in jedem Fall, es stehen noch ganz viele neue Sachen in ihr, bis sie geschrieben wird, oder doch im Gedächtnis einiger Liebender komplett wäre.

Was sollte auf Ihrem Grabstein stehen?
Vermutlich leiten sich meine Gedanken hierzu aus denjenigen zur vierten Frage ab. Obwohl ich zum Fortgang / Jenseits nicht sicher bin.

Wie, wo und wann schreiben Sie?
Ein Gedanke findet eine Form, spielerisch, oder eine Handlung, die sich aus ihm spinnt. Und noch weitere treten hinzu. Dann kommt Struktur (vielleicht auch die Struktur, keine zu haben), ein Auffalten, „es angehen“, das ist kein Zwang. Und der Klang treibt manchmal den Inhalt derweil die ganze Zeit voran. „ICH“ sitze am Tisch, umgeben von all den kleinen und grossen Werken in ihren Regalen, die mir Ideen schicken, Knoten binden, klirren. Und Bilder, aus dem Fenster gesehen und an den Wänden, auch die sprechen. Und die Erinnerung, und die Wünsche und Träume.

Was verstehen Sie unter dem „ganz grossen Gefühl“?
Als „Mensch“: Verzauberung, ein Augenblick, der in sich verlangsamt, ein Sinn, der sich fügt, eine Offenbarung, der man sich sicher ist, die meist dabei doch unbestimmt und eigentlich unbeschreibbar bleibt. Licht, ein Glänzen. Sich passgenau formende Worte, Blicke, Einvernehmen, Nähe von Körpern in Geist.

Als Schriftsteller: Eine der grössten Herausforderungen beim Schreiben … Pathos und Cliché gilt es radikal zu zerstören, sie beleidigen das Gefühl, entweihen den Zauber. Es muss vollkommen schlicht daherkommen, indirekt, flüchtig. Man muss alles aus dem Weg räumen. Ich kämpfe hier mit meinen Texten, schleife sie immer wieder ab.

Wer ist Ihr Lieblingsphilosoph?
Kant für die Zusammenfassung zur Vernunft (eigentlich so nah an den Menschen), Descartes für das abgemagert sterbende Pferd, Luhmann für das Konstruieren, Camus für die rollenden Steine (das Glück als moderner Mensch) und Platon für die Idee mit der Höhle … (nicht meine stärkste Seite bisher, die Philosophie…).

Wann haben Sie das letzte Mal geweint?
Immer wieder, wenn es passt, nicht zu oft. Also kein Ausnahmezustand, daher erinnere ich mich nicht. Gute Szenarien in Filmen, Büchern („gute“: s. Teil 2 in der siebten Frage zum „ganz grossen Gefühl“, oben), aber am anderen Ende dann auch Verletzungen, Verlust, Sterben. Tränen gehören dazu wie das Lachen. Gut, dass ich (wie hoffentlich die meisten) gewisse althergebrachte, erzieherische und gruppendynamische Unterdrückungszwänge nicht bedienen muss.

Was machen Sie, nachdem Sie diese Fragen beantwortet haben?
Meine Partnerin kommt aus Lausanne zurück, und wir feiern endlich gebührend das Erscheinen meines Buchs „Aus der Erstarrung“ – das klingt hier und jetzt wie plumpste Werbung, ist aber tatsächlich so der Fall! Für etwas Sport in der Sonne reicht es jetzt nicht mehr.

Juni 2015


Nachgefragt bei Cornelia Kempf

Was tun Sie als Erstes, wenn Sie nach Hause kommen?
Zuerst ganz bequeme Sachen anziehen, den anstrengenden Arbeitstag hinter mir lassen und den Kopf freibekommen.

In Ihren Romanen gestalten Sie viele verschiedene Charaktere, die immer sehr glaubwürdig wirken. Wie würden Sie sich selbst mit drei Worten charakterisieren?
Nur drei? Das wird schwer, aber definitiv: eigensinnig, grüblerisch, gerechtigkeitsliebend.

Gibt es etwas, was Sie in Schrecken versetzt?
Bis jetzt nichts.

Haben Sie einen festen Platz, an dem Sie schreiben?
Meine Ottomane, das Notebook auf dem Schoss.

Wann schreiben Sie: tags oder nachts?
Zumeist in den frühen Abendstunden, aber wenn mich ein Kapitel nicht loslässt kann es auch die ganze Nacht durchgehen.

Wie kommen Sie auf Ihre Romanthemen?
Ich lasse mich durch Dokumentationen inspirieren, vertiefe mich gerne in Biographien historischer Persönlichkeiten und natürlich durch das Lesen anderer Romane.

War Ihnen schon mal ein Stoff zu heiss?
Ja! Die Liebesgeschichte in „Die Gärten von Damaskus“. Ich habe sie aber trotzdem genauso geschrieben.

Haben Sie literarische Vorbilder?
Keine Vorbilder. Ich achte die Arbeit aller Autoren, aber möchte meinen eigenen Stil wahren, diesen mit jedem Manuskript weiterentwickeln und verbessern.

Waren Sie schon mal wirklich in Gefahr?
Mein Schutzengel ist gut trainiert, denn ich hatte in meinem Leben schon ein paar Unfälle, die nicht ganz harmlos waren. Meine rechte Körperhälfte kann dann davon Zeugnis ablegen.

Was ist Ihr Lebensmotto?
Egal was das Leben für dich bereithält, versuche immer deine Kreativität zu behalten.

März 2016


Nachgefragt bei Marcel Kuoni

Was verstehen Sie unter Abenteuer?
Für mich ist Abenteuer – ganz klassisch – mit neuen Ideen und dem Weg ins (teilweise) Unbekannte verbunden. Und natürlich gehören dazu auch Mut und Nervenkitzel. Und die Vorbereitung darauf.

Wovor haben Sie Angst und muss man Angst vor Ihnen haben?
Vor mir braucht man keine Angst zu haben. Ich bin ein friedfertiger Mensch, der das Miteinander dem Gegeneinander vorzieht. Angst habe ich vielleicht vor einem einschneidenden Erlebnis, das man nicht vorhersehen kann, wie beispielsweise eine Krankheit oder ein Unfall.

Definieren Sie „paradiesisch“.
Für mich ist meine Heimat das Paradies. Der Ort, an dem man sich wohlfühlt, an dem man Freude und Freunde hat. Paradiesisch hat für mich auch eine zeitliche Komponente: man lässt sich an diesem Ort nieder. Damit der Ort paradiesisch bleibt, muss man dazu auch etwas beitragen, man muss sich engagieren.

Welchen Roman hätten Sie gern geschrieben?
Ich habe meinen ersten Kriminalroman Tannenrauschen fertig geschrieben und schreibe nun am zweiten Roman. Ich würde mir nie anmassen, gern einen anderen Roman geschrieben zu haben. Dazu sind die Gedanken, der Stil und der Beweggrund zwischen mir und dem jeweiligen Schreiber zu unterschiedlich. Es gibt jedoch einige Romane, dich ich noch lesen will. Dazu gehören zum Beispiel Tolstois „Krieg und Frieden“ oder Meyers „Jürg Jenatsch“.

Vervollständigen Sie den Satz: „Lass uns zwischen den Regentropfen tanzen und…“.
wir fühlen uns frei.

Was tun Sie, wenn Sie nicht schreiben?
Ich arbeite, ich reise, ich treibe Sport, ich lese.

Wie finden Sie Ihre Geschichten?
Ich lasse mich von dem Ort / der Region inspirieren und bette die Geschichte dementsprechend ein. Die Geschichte muss sich quasi dem Ort des Geschehens anpassen, damit sie authentisch wirkt und in sich aufgehen kann. Die Idee zur Geschichte des zweiten Kriminalromans habe ich durch ein Gespräch mit einem Bekannten erhalten.

Wo finden Sie Ihr Glück?
Zu Hause, in der Heimat, mit meiner Familie.

Schreiben Sie ein Tagebuch?
Nein, ich fotografiere. Die Fotos erzählen mir viel über den jeweiligen Tag.

Und was möchten Sie uns sonst noch sagen?
Ich will in meinen Büchern mehr erzählen, als nur die Geschichte. Ich will der Leserschaft auch lokale/regionale Kultur und Geschichte und geografisch Interessantes näherbringen.

Mai 2017


Nachgefragt bei Marc P. Sahli

Beschreiben Sie sich in drei Worten.

Offenherzig, wissbegierig, Geniesser.

Was bedeutet für Sie anständig zu sein?

Am Ende zählt nur, dass man „gut“ war. Gut im Sinne von gütig, altruistisch. Im Sinne von Homer Simpson, eine Zeichentrickserie, die ich sehr mag, aber auch: Ich möchte den Tag einfach ohne grössere Schäden überstehen, oder so ähnlich.

Gibt es verpasste Chancen in Ihrem Leben?

Weil man etwas verpasst hat, weiß man ja nicht ob dies eine Chance oder ein Verderben gewesen wäre…

Wenn Sie wählen könnten: In welchem Jahrhundert würden Sie gerne leben?

Ich bin mittlerweile ganz gern ein Bewohner des 20. und 21. Jahrhunderts. Ich kann ohne große gesellschaftliche Zwänge leben. Aber als Kind und Jugendlicher wollte ich gern zu Zeiten Johann Sebastian Bachs gelebt haben.

Seit wann und warum schreiben Sie und woher kommt die Inspiration?

Seit 1996. Aber eigentlich habe ich nie aufgehört Aufsätze zu schreiben. Zum warum möchte ich mit Peter Bichsel antworten: Weil ich es nicht kann. Und weil ich z.B. noch viel weniger Fußballspielen könnte. Zur Inspiration: Bereits zu Schultagen hatte ich ein weißes Blatt vor mir und wusste nicht, was schreiben… Ich suche das zutiefst Menschliche im kleinteiligen Alltag, den beiläufigen Begebenheiten, an den Rändern, im Schatten, in „Zämewüschete“
Alltagslärms, ja manchmal in der Stille.

Welches Buch hat Sie am meisten beeinflusst?

Ohne Frage „Ob die Granatbäume blühen“, das letzte Buch, ja Büchlein von Gerhard Meier, der Niederbipper, der letztes Jahr einhundert geworden wäre. Es ist eine Elegie übers Leben und Sterben, eine Hommage an seine Frau Dorli. Wenn ich die letzten Seiten lese, muss ich immer wieder heulen. Ich kann nichts dagegen tun.

Welches Sprichwort finden Sie am lustigsten?

Ach, da gibt es so viele und schöne. Ich kann mich nicht entscheiden, auch nicht zwischen den Sprachen.

Beruflich sind Sie sehr viel gereist. An welches Land erinnern Sie sich am liebsten?
Liebste Erinnerungen? Hm, das wäre glaub ich, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Denn überall wo ich war, war ich gern, gleich welches Klima, Sprache, Kultur. Ich habe mich immer unvoreingenommen auf alles eingelassen und aufgesaugt wie ein Schwamm.

Hat das Reisen Sie und Ihr Leben verändert?

Ja, sehr. Ich bin nicht mehr der Sahli, der ich mal war. Ja, es hat mich verändert; wenn es nicht so wäre, wären es vergeudete Jahre gewesen. Meine Persönlichkeit und auch meine Schreibe haben an Facetten dazu gewonnen.

Sie haben bis jetzt zwei Bücher mit Essays veröffentlicht. Dürfen wir uns auf einen Roman von Ihnen freuen?

Die Romanform ist nicht mein Ding, wohl eher eine größere Erzählung, hoffentlich länger als die sonst übliche eine bis zwei Seiten. Aber ich denke über ein Buch nach, mit Porträts verschiedener Mitmenschen, vielleicht aus Russland, wer weiß…

Juni 2018


Nachgefragt bei Lothar Olivet

Welche Frage sollte man Ihnen nicht stellen?

Das ist eine schwierige Frage für mich. Ich würde so antworten:
Ich bin eigentlich offen für jede Frage, ob Sie mir nun schmeckt oder nicht.

Sie sind nicht nur Autor und Maler, sondern auch Arzt. Wie heilt man ein gebrochenes Herz?

Indem man sich neu verliebt.

Was verstehen Sie unter einfachem Leben?

Ein einfaches Leben kommt für mich nicht in Frage. Das wäre viel zu eintönig.

Was bedeutet für Sie Freundschaft?

Wenn es regnet und stürmt nicht alleine nass zu werden.

Wann und wo schreiben Sie?

Überall und zu jeder Zeit.

Und wann und wo lesen Sie?

Siehe vorherige Antwort.

Sie haben zwei Romane geschrieben: einen Krimi und einen historischen Roman. Welche Ihren literarischen Figuren ging Ihnen besonders ans Herz?

David, in seiner Zerrissenheit zwischen dem eigenen künstlerischen Anspruch auf der einen Seite und der verführerischen Sucht nach Ruhm auf der anderen.
Marc, ein junger Arzt der darum kämpft, sich seine ärztlichen Identität, seinen Ethos, in einem vom brutalen Profidenken bestimmten enthumanisierten Krankenhaussystem zu bewahren.

Wo tanken Sie Kraft?

Indem ich jeden Morgen voller Dank die Augen öffne und das mir geschenkte Leben in vollen Zügen einatme.

Manchmal benötigt es ein besonderes Erlebnis, um eine Sache anzupacken. Wann ist es Ihnen das letzte Mal so ergangen?

Das brauche ich nicht. Das ganze Leben ist ein einzigartiges Ereignis, man muss es nur als solches betrachten. Ich muss nicht erst blind werden, um zu wissen was sehen bedeutet, lahm sein um das Gehen zu schätzen, taub werden um das Hören zu genießen…
Was ich damit sagen will ist: Nutze deine Sinne und das Leben überschüttet dich mit Ereignissen.

Seneca sagte: „Was du über dich selbst denkst, ist viel wichtiger als das, was andere über dich denken“. Stimmen Sie dem zu?

Was du über dich denkst ist wichtig, ebenso was die anderen über dich denken. Man sollte beides beachten, aber sich davor bewahren, beides zu überschätzen.

Juli 2018


Nachgefragt bei Sigi Gall

Sie sind sehr kreativ. Was inspiriert Sie?

Mein Herz! Mein Leben! Die beiden inspirieren mich. Menschen die mich bewegen, Umstände die mich fordern, Begebenheiten die ich mit mir trage.

Woran arbeiten Sie gerade?

Im Februar 2019 habe ich Premiere mit meinem Programm LOVE HURTS. Dieses Programm habe ich 2001 geschrieben. Es lief jahrelang als riesen Erfolg in Baden Württemberg und darüber hinaus. Jetzt lag es brach und wir nehmen es wieder auf. Das ist eine große Herausforderung. Wir sind älter geworden und wir passen unser eigenes Programm an unser jetziges Alter an. Das ist sehr spannend. Und macht mir vieles noch bewusster.

Empfinden Sie die Sozialen Netzwerke als Fluch oder Segen?

Beides – Fluch & Segen.

Lieben Sie lange Telefonate?

Ja! Ich führe lange Telefonate mit Menschen die mir nahe sind. Ich genieße die Konzentration auf das Gesagte.

Singen Sie ab und zu unter der Dusche?

Ja! Der Sound ist unter meiner Dusche super!

Sind Sie Musicalfan?

Fan ist zu viel gesagt. Ich gehe alle 5 Jahre ins Musical, dann aber mit Haut und Haaren.

Verschicken Sie Geburtstagskarten?

Nein.

Ziehen Sie einen Strandurlaub einer Städtereise vor?

Ich liebe beides. Meine Urlaube beinhalten von daher auch beides.

Würden Sie gerne einen Maskenball besuchen?

Nein.

Die Weihnacht steht vor der Tür. Was bedeutet Ihnen dieses?

Ich liebe Weihnachten. Sie werden mein Wohnzimmer nach meiner Dekorationsarbeit fast nicht mehr wiedererkennen. Ich liebe die Stimmung der Kerzen und Lichter.
Besonders schön ist für mich das zur Ruhe kommen, abends einen Spaziergang durch die beleuchteten Häuser – überall brennt Licht und der Tisch wird gedeckt. Autos fahren vor und die Menschen sind schön angezogen und haben Päckchen unter dem Arm, in der Hoffnung sie machen Menschen eine Freude. Da kann ich spüren wie gut es uns geht. Und wie tief Liebe ist.


Nachgefragt bei Ulrich Land

Wann schreiben Sie am liebsten und am besten, zu welcher Tages- bzw. Nachtzeit?

Ich fange morgens zu unchristlich früher Zeit an, so gegen 7.3o Uhr. Dann geht’s mit einem halben Stündchen Mittagspause munter voran. In früheren Zeiten konnte es auch durchaus mal bis 23.oo Uhr in einem Rutsch durchgehen, inzwischen fällt mir um 2o.oo Uhr der Stift aus der Hand bzw. die Stirn auf die Tastatur. Nachts also ist mit mir schreibereimäßig nichts, aber auch überhaupt gar nichts los. Am produktivsten sind, würde ich mal behaupten, tatsächlich die Morgenstunden, wenn’s also taufrisch ans Werk geht. Am allerbesten allerdings flutscht es im Zug, wenn die Welt an mir vorbeirauscht und mich sämtliche Computer mal können, und zwar so was von!

Mit welchem Werkzeug schreiben Sie?

Auch da bin ich voll auf der Spießerseite unterwegs. Ich schreibe am liebsten mit Füller. Jedenfalls dann, wenn es sich um literarische, also vor sich hin fabulierende (nicht-journalistische) Texte handelt. Und zwar mit einem guten, alten Kolbenfüller. Montblanc sogar. Hört sich zwar so an, ist aber meines Wissens kein Schweizer Fabrikat. Dafür hab ist das gute Stück aber bereits seit über 30 Jahren in Gebrauch, und es ist immer noch wacker unterwegs. Mein erster Literaturpreis übrigens. Ergattert bei den Wuppertaler Literaturtagen anno 1989. Jedenfalls fließen bei ihm die Wörter und Sätze nur so aus der Feder. Die Montblanc-Magie. Man kann auf den Spalt in der Federspitze schauen und dem Schreibfluss zusehen. Na gut, zugegeben: fast.

Wie steht’s um das kreative Chaos? Wie sieht’s auf und unter Ihrem Schreibtisch aus?

Schon wieder als Spießer ertappt. Ich bin ein Pingel. Was Ordnung anlangt. Mein Problem nämlich ist: Ich kann zwar suchen, aber nicht finden. Auf den Tod nicht. Deshalb achte ich peinlich genau darauf, dass alles an seinem angestammten Platz ist und bleibt bzw. wieder dorthin zurückmarschiert. Die Ordnung und Anordnung in meinen Bücherregalen zum Beispiel hat schon, ich glaube, 11 Umzüge ungeschoren überstanden bzw. wurde am neuen Ort genauso wiederhergestellt. Und Kuliminen, Bleistiftspitzermesserchen und Mikrofonadapter finde ich auf Anhieb. Wetten? Trotzdem würde meine Mutter die Hände überm Kopf zusammenschlagen [s.u.].

Was für ein Verhältnis hegen Sie in Ihrem Arbeitszimmer zum Staubsauger? Und Staubtücher – können Sie die ausstehen? Insbesondere, wenn sie provokant durch die Bude schweben und behaupten, die Bücherregale hätten’s mal wieder nötig.

Eben weil ich so gar kein Problem mit Staub habe, würde meine Mutter Zustände bekommen. Sie hat einmal im Jahr in unserem Wohnzimmer seinerzeit jedes Buch – und derer gab es zahllose – aus dem Regal genommen und mit dem Staubsauger bearbeitet. Das ist mir in den Jahrzehnten, seit ich über meine Privatbibliothek verfüge, noch nie widerfahren. Und auch auf den Regalen mit meinen Schreibwarenvorräten, meinem Radioequipment, meinen Stehordnern bildet sich ganz langsam, ganz allmählich ein heimelig unheimlich wattiger Pelz aus vertraut verschlafenen Staubflusen, die meinen Krempel in einen vornehmen Schleier hüllen, der nur kurz zur Seite gewischt wird, wenn ich an den Klammeraffen muss, ans grüne Tintenfässchen, an die holländischen Kaffeebonbons. Dementsprechend macht der Staubsauger geflissentlich einen großen Bogen um mein Arbeitszimmer, findet grade rechtzeitig immer noch eine Abzweigung und ein anderweitiges Betätigungsfeld. Und auch das Staubtuch darf sich nur dann in Gang setzen, wenn ich drohe, an Hustenanfällen von Corona-viralen Ausmaßen zu ersticken. Spätestens jetzt, wo mir das Finanzamt die Reinigungspauschale fürs Arbeitszimmer aberkannt hat. Vor zehn Jahren allerdings, als ich noch wohngemeinschaftsmäßig in einem integrierten Wohn-, Schlaf- und Arbeitszimmer wohnte, brachte ich den Staubsauger durchaus öfter zum Einsatz – immer dann, wenn sich Damenbesuch ankündigte.

Brauchen Sie für die Inspiration beim Schreiben eine entsprechende Dröhnung Rotwein?

Nöö. Ich trinke sowieso sehr wenig Alkohol, und wenn. dann nur in Gesellschaft. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, jemals ein Glas Wein auf dem Schreibtisch stehen gehabt zu haben. Rotwein schon mal überhaupt nicht, der schmeckt, finde ich, immer irgendwie nach Rinde. Und auch sonst bin ich ziemlich drogenclean. Ich berausche mich, solang ich denken kann, an Landschaften. Ganz Geograph [s.u.]. Deshalb auch die Schreiblust im Zug [s.o.], wenn die Landstriche wie im Flug vorbeizischen oder – auch sehr gerne! – vorbeiruckeln. Eines meiner glücklichsten Schreiberlebnisse, das werde ich nie vergessen, war in der Mongolei, als ich mit dem Rücken an eine Nomadenjurte gelehnt, stundenlang vor mich hingeschrieben hab und einfach meine Augenblicke zu Papier gebracht hab. Wenn das kein Rausch ist!

Wann sind Sie mit Ihren eigenen Texten zufrieden? Gibt’s da definierte Kriterien?

Tja, das weiß ich auch nicht. Wahrscheinlich viel zu schnell, viel zu früh. Ich bin mir sicher, dass es zum Schreiben – neben ein paar anderen Utensilien – vor allem des Muts bedarf, erstens. Und zweitens, genauso wesentlich: der Selbstkontrolle, also des schonungslosen, jeder Eitelkeit abschwörenden Korrekturlesens. Und ich weiß doch, dass ich’s irgendwie immer prima finde, was mir da aus dem Füller geflossen ist. Was natürlich tückisch ist. Also versuche ich immer wieder, gegen das Leiden eben dieses selbstverliebten Schreibstolzes anzukämpfen. (Auch jetzt.) Was mir selten gelingt. (Auch jetzt nicht.) LektorInnen, RedakteurInnen und DramaturgInnen sind also eine verdammt wichtige Spezies in meinem Kosmos. Und ich liebe es, werkstattmäßig mit dem Sachverstand hinter anderer Leute Stirn an meinen Texten rumzuhirnen und ihnen mehr und mehr Leben und Fahrtwind einzuhauchen. Gesetzt den Fall natürlich, diese Gegenleserinnen streicheln hinreichend meine Selbstzufriedenheit und finden den Text natürlich schon mal von vornherein sowieso gut und bestens und einfach großartig und sofort so druckbar, möchten bloß die eine oder andere Kleinkorinthe kacken. und würden vorschlagen und regen an und könnten sich allenfalls vorstellen, dass …

War für Sie die Schreiberei jemals eine Art Brautwerbung, also Mittel zu dem einen Zweck der Zwecke?

Die erste Geschichte meines Lebens, die ich unabhängig von irgendwelchen schulischen Aufgaben zu Papier brachte, galt ganz dezidiert meiner ersten großen Liebe. Sie wollte ich beeindrucken, ganz klipp und ganz klar. Es ging um die Faszination des Ausblicks von einem kleinen einsamen Boot, wenn drumherum nur Wasser zu sehen ist, vom einen bis zum andern Horizont. Weiß ich noch wie heute. Die Geschichte ist leider verschollen, und die große Liebe verflossen. – Keine Ahnung, ich glaube, da darf man sich keine Illusion machen: Das Thema Brautwerbung macht (mindestens) 75% der Motivation für alle Literatur dieser Erde aus. Natürlich gilt auch Bräutigamwerbung. Und selbstredend gilt’s auch dann, wenn man glücklichst verheiratet oder anderweitig liiert ist. Und natürlich geht es nicht (in erster Linie) um Sex, sondern um Anerkennung. Oder sagen wir: ums Geliebt-werden-Wollen. Psychoanalytisch eine Binsenweisheit (Arbeit ist verdrängte Sexualenergie), deren Richtigkeit zu bestreiten, ich nicht wage. Aus ureigenster Anschauung.

Wer ist Ihr größter »Gegner«?

Das Seitenende. Ganz grundsätzlich gilt natürlich: Man kann einfach nicht so schnell schreiben, wie man denkt. Aber es gibt definitiv nichts Blöderes, als wenn man einen Gedanken im Kopf hat, den man noch schnell festhalten will – aber auf welches Papier? Wenn es denn schlicht voll und zu Ende ist, beim besten Willen kein Quäntchen Platz mehr zu bieten hat. Wenn’s plötzlich erforderlich ist, aufzustehen, sich zum Papiervorrat durchzuschlagen, eine neue Packung aufzureißen. Womöglich sogar neues Papier einzukaufen! Aber schon das bloße Umblättern reicht dem alles entscheidenden Gedanken mitunter, sich im Handumdrehen zu verflüchtigen, sich aus dem Staub des Schreibtischs zu machen und nicht mehr, nie mehr gesehen zu werden. Ich weiß nicht und ich will auch nicht wissen, wie viele glorreiche Ideen, brillante Sätze, ausgefuchste Formulierungen auf diese Weise bereits verschütt gegangen sind, die mich wahrscheinlich, nein, mit Sicherheit in den Stand eines weltberühmten Literaten versetzt hätten. Hätten.

Was wäre aus Ihnen geworden, wenn nicht Schriftsteller?

Nichts. – Pauker vielleicht. Zumindest stand der Entschluss in jüngsten und jungen Jahren fest. Nachdem ich mich von meinem eigentlichen Berufswunsch verabschiedet hatte, die Sami (die man zu jener Zeit noch Lappen nannte) zum katholischen Glauben bekehren zu wollen; als ich nämlich begreifen musste, dass schon jemand vor mir da war. Dass nämlich die Rentiernomaden längst dem Schamanismus (bis auf wenige Spurenelemente) abgeschworen hatten und zum Protestantismus konvertiert waren bzw. durchaus unsanft abgeschworen und konvertiert worden waren. Seitdem also wollte ich Werklehrer werden. Und meine Ausbildung bis zum Zweiten Staatsexamen lief denn auch sturheil auf einen Deutsch- und Erdkundelehrer hinaus. Wiewohl ich zu jener verlorenen Lehrergeneration gehöre, die in den frühen Achtzigern auf Deibel komm raus keine Stelle bekamen, weil (angeblich) zu viele Ältere unserer Sorte in Amt und Würden waren. Ich fand als einer der ganz wenigen jener Lehrerjahrgänge gleichwohl eine Anstellung an einer kleinen antiautoritären Schule in der Berliner Alternativszene. Aber die Schreiberei ging seit den Tagen der genannten Liebeshorizontegeschichte unverdrossen, mehr oder weniger im Geheimen weiter, sozusagen mit der Taschenlampe unter der Bettdecke. Bis ich irgendwann meine erste große Radiosendung in trockenen Tüchern hatte. Von da an machte ich mein Hobby – das Schreiben – zum Beruf, und meinen Beruf zum Hobby. Ich unterrichtete noch jahrelang ehrenamtlich an einer Freien Schule in Wuppertal und heutzutage von Zeit zu Zeit (wenn auch nicht mehr ehrenamtlich) an zwei, drei Unis kreatives Schreiben. Also ganz hab ich den Lehrer nicht über Bord geschmissen.

Können Sie den folgenden Satz, den ich vor Kurzem gelesen habe, beenden /ergänzen? »Wenn Humor auf eine Realität trifft, in der es nichts zu lachen gibt, dann ist es…«

»Wenn Humor auf eine Realität trifft, in der es nichts zu lachen gibt, dann ist’s Corona-Time.«


Nachgefragt bei Monica Heinz

Sind Sie abenteuerlustig und mutig?

Ich würde sagen im Rahmen, nicht im Sinne von Abenteuern wie Fallschirmspringen oder Bungeejumping. Aber ich habe keine Furcht davor, etwas Neues auszuprobieren – wie z.B. eine Onlinelesung. Ein Abenteuer kann für mich auch etwas sein, wie durch die halbe Schweiz zu fahren, um einen Preis abzuholen oder für einen Tag nach Berlin zu fliegen, um die Buchmesse zu besuchen.

Worauf würden Sie nie verzichten?

Meine finanzielle Unabhängigkeit. Und es gibt viele Dinge, auf die ich nicht verzichten MÖCHTE, wie z.B. mein I-Phone, mein Auto, meine Wohnung in England, Bücher, schöne Füller, Tee, Schokolade…

Wann stoßen Sie beim Schreiben an Ihre Grenzen?

Beim Reimen und Silbenzählen. Ich liebe Gedichte, aber die freien Formen. Und manchmal bei vorgegeben Themen an Wettbewerben, dies jedoch eher selten.

Können Sie sich vorstellen ein Kinderbuch oder einen Ratgeber zu schreiben?

Eher weniger. Wenn dann vielleicht am ehesten einen Kinderkrimi.

Was fällt Ihnen bei dem Satz »Her mit dem schönen Leben« ein?

Mein Leben ist eigentlich schön so wie es ist.

Lieben Sie Veränderungen?

Ja und nein, ich bin Sternzeichen Zwilling und kann mich manchmal nur schwer entscheiden.

Würden Sie in Flip-Flops zu einer Einladung gehen?

Nein, aber nicht wegen den Flip-Flops, sondern weil ich Blasen kriege, wenn ich sie trage. Wenn sie jedoch zum Kleid passen und es edle Flip-Flops sind, also nicht die billigen für den Strand, und die Trägerin gepflegte Füße hat, warum nicht?

Wen sehen Sie, wenn Sie in den Spiegel schauen?

Meist sehe ich dann nur, dass ich nicht zufrieden mit meinen Haaren bin. Aber ich sehe auch jemand, der einiges erreicht hat, wovon andere nur reden oder träumen. Ich konnte mir meinen Traum von einem Eigenheim in meinem Herzensland erfüllen und werde dieses Jahr schon mein zweites eigenes Buch in den Händen halten.

Fühlen Sie sich heute freier als vor 20 Jahren?

Definitiv! Mein Leben ist abwechslungsreicher und interessanter geworden und ich erlebe und mache Dinge, die ich mir vor 20 Jahren nie zugetraut hätte.

Wenn Sie selbst eine Jahreszeit wären, dann wären Sie…

Der Frühling